Wir ernten, was wir säen – Raum- und Stadtplanung für mehr Rad- und Fußverkehr

Beim Digitalen Fachseminar am 21. Juli 2022 standen die Raum- und Stadtplanung im Fokus und die Frage, wie durch intelligente Planung der Rad- und Fußverkehr gefördert werden und somit die Verkehrswende gelingen kann.

„Schöllkrippen erntet, was es gesät hat“ – so der Untertitel des Impulsvortrags von Markus Belz aus der AGFK-Geschäftsstelle. Anhand der Marktgemeinde in Unterfranken zeigte er auf, wie durch raumplanerische Entscheidungen der Fußverkehr vom Autoverkehr verdrängt wurde und sich dadurch auch das soziale Miteinander und die Lebensqualität der Einwohnerinnen und Einwohner verändert hat. Durch Funktionstrennung, großflächige Parkplätze, die Erschließung von Neubaugebieten in Hang- und Ortsrandlage sowie das Bestreben, als Einkaufszentrum für die umliegenden Gemeinden zu fungieren, hat sich der Satz „Die Menschen auf dem Land sind auf das Auto angewiesen“ wie eine selbsterfüllende Prophezeiung bewahrheitet. Dass es auch anders geht, zeigt Schöllkrippen gleich selbst mit einem eigenen Dorfladen im Ortsteil Hofstädten oder die Neugestaltung des Rathausgartens. Kleine Schritte in die richtige Richtung…

Die Gemeinde in Unterfranken ist nur eines von vielen Beispielen, in denen jahrzehntelang pro Auto geplant wurde. Prof. Dr. Heiner Monheim von raumkom – Institut für Raumentwicklung und Kommunikation zeigt auf, wie flächendeckend in Deutschland die Abkehr von Bus und Bahn zugunsten von Straßen und Autobahnen stattfand. Doch der Klimawandel macht eine Mobilitätswende zwingend notwendig.

Vor allem im Nahbereich sieht Monheim dafür noch großes Potenzial, schließlich sind 80 Prozent der Mobilitätsdistanzen im Bereich unter 5 km. Dennoch wird dabei sehr häufig das Auto genutzt. Gerade in Innenstädten besteht zudem das Problem des begrenzt verfügbaren Raumes. Und was sind nun konkrete Maßnahmen, um die Verkehrswende raum- und verkehrsplanerisch zu schaffen? Pop up-Lösungen, deutlich mehr Fahrradstraßen sowie Flaniermeilen als Hauptachsen des Fußverkehrs. Und ein deutlich stärkerer Ausbau von Bus und Schiene für den Personenverkehr, gerade im ländlichen Raum, ebenso wie für die Logistik. Auch Bäume als Gestaltungselemente und Klimaregler sind unabdingbar: „Klimawandel bekämpfen mit Klimaanlagen – denn jeder Baum ist eine Klimaanlage!“, so Monheim. All diese Maßnahmen können jedoch nur wirken, wenn sie auch erfolgreich kommuniziert werden. Ganz entscheidend dabei sind positive Bilder statt Verzichts- und Verbotsmetaphern. Dabei immer ein Ziel vor Augen, die urbane, kompakte und intakte Stadt mit viel autoloser Nahmobilität und kurzen Wegen von maximal einer Viertelstunde.

„Die 15 Minuten-Stadt ist eine tolle Idee. Momentan planen wir aber eher für eine 2 Stunden-Stadt“, resümierte Prof. Dr. Heiner Monheim. Dass es auch anders geht zeigte Prof. Dr.-Ing. Anke Karmann-Woessner, Leiterin des Stadtplanungsamtes Karlsruhe. Karlsruhe hat es sich zum Ziel gesetzt, eine 15 bzw. sogar 5 Minuten-Stadt zu werden. Dafür hat die Stadt verschiedene Leitplanken für die künftige Entwicklung festgelegt: Klare Konturen, Grüne Adresse, Coole Quartiere, Starke Mitte, Mehr Wohnen, Urbane Nähe und Dynamisches Band.

Wichtig dabei: bestehende Quartiere weiterentwickeln und neue Wohnflächen behutsam in die vorhandene Baustruktur integrieren. Gerade in den neuen Quartieren werden integrierte Verkehrskonzepte und die wirtschaftliche Auslastung der Infrastruktur angestrebt. Karmann-Woessner betont: „Entscheidend ist es, flächendeckende Mobilitätsnetze zu sichern und autoarme Quartiere zu fördern und ebenso eine hohe Aufenthaltsqualität im öffentlichen Raum zu ermöglichen.” Dazu werden Straßen und möglichst auch private Hinterhöfe begrünt und Räume zum Verweilen geschaffen. Auch eine durchgängige und sichere Radverkehrsführung durch die Innenstadt ist vorgesehen. Für Lieferverkehre und Stadtlogistik sollen unter anderem smarte Technologien genutzt werden. Große Schritte in die richtige Richtung…

Ob und wie die Umsetzung in ländlichen Räumen gelingen kann, erörterten Prof. Monheim und Prof. Karmann-Woessner gemeinsam in der abschließenden Paneldiskussion, moderiert von Thiemo Graf vom AGFK-Fachbüro i.n.s. – Institut für innovative Städte und Markus Belz. Auch Fragen zu stärkerer Nutzungs- und Funktionsmischung zur Verkürzung der Wege und zum Parken als dem Knackpunkt wurden dabei erörtert. Das allgemeine Fazit: Verkehrs- und Raumplanung müssen Hand in Hand gehen. Planungen für den Fuß- und Radverkehr funktionieren nur, wenn die stadtplanerischen Chancen auch genutzt werden. Denn egal ob große oder kleine Schritte – auf dem Weg zur Mobilitätswende sind alle Beteiligten gefragt.

Zu den Vortragsunterlagen »

Haben auch Sie in Ihrer Kommune einen kniffligen Knotenpunkt oder eine Straße, die einer kreativen Umgestaltung bedarf? Bewerben Sie sich damit gerne bei der Planungswerkstatt, die vom 31. Januar bis 1. Februar 2023 in Neckarsulm stattfindet. Weitere Informationen und Bewerbungsmöglichkeiten finden Sie hier ».