AGFK Planungswerkstatt rückt Rad- und Fußverkehrsprojekte in den Fokus

1 Hotel, 2 Tage, 7 kniffelige Planungsfälle, 25 Expert:innen: Unter der Devise „Vorrang(routen) für den Fuß- und Radverkehr“ hat am 23. und 24. September in Neckarsulm die zweite Planungswerkstatt der Arbeitsgemeinschaft Fahrrad- und Fußgängerfreundlicher Kommunen in Baden-Württemberg (AGFK-BW) stattgefunden. Gemeinsam diskutierten die Teilnehmenden Lösungsansätze für schwierige Planungsfälle, die den Fuß- und Radverkehr in den Fokus rücken.

Nicht nur die AGFK-Kommunen und Landkreise in Baden-Württemberg haben sich ein gemeinsames Ziel auf die Fahne geschrieben, auch das Verkehrsministerium Baden-Württemberg schlägt die gleiche Richtung ein: Das Forcieren der Verkehrswende mithilfe einer progressiven Förderung des Rad- und Fußverkehrs vor Ort. Um diesem Ziel näher zu kommen, bedarf es vielerorts aber innovativer Ansätze, um den typischen Hemmnissen wie Platzmangel oder festgefahrenen Debatten entgegenzutreten und neue Perspektivaen aufzuzeigen. Anhand konkreter Planungsfälle wollten sich die Teilnehmenden aus sieben AGFK-Kommunen und zwei Regierungspräsidien sowie diverse Expert:innen diesem Vorhaben annehmen. Die Teilnehmenden waren mit hohen Erwartungen angereist, wie eine Umfrage zu Beginn des Workshops zeigte. Die sieben Kommunen hatten je einen kniffligen Planungsfall im Gepäck, für die in der Planungswerkstatt gemeinsam kreative Lösungen entwickelt werden sollten. Andere, überraschende Blickwinkel zu finden und den eigenen Horizont durch die Zusammenarbeit mit den anderen Teilnehmenden zu erweitern war ausdrückliches Ziel des beliebten AGFK-Formats.

Steigerung des Fußverkehrs- und Radverkehrsanteils durch Flächenneuverteilung

Die geladenen Expert:innen gaben zunächst die Marschroute der Veranstaltung vor: Anspruchsvolle Ziele zu setzen bedeutet im Umkehrschluss auch Strukturen zu verändern, bestehende Denkmuster zu hinterfragen und weitreichende Lösungen zu finden. Alicia Kolmans vertrat das Verkehrsministerium Baden-Württemberg und zeigte die ehrgeizigen Pläne  des Landes auf: Der Fußverkehrsanteil soll auf 30 % steigen, der Radverkehr bis 2030 verdoppelt und der Kfz-Verkehr in den Städten um ein Drittel reduziert werden. Zur Umsetzung dieser Ziele setzt das Land hierfür vor allem auf einen personellen Strukturaufbau auf mehreren Ebenen und eine Ausweitung der finanziellen Unterstützung der Kommunen durch Förderungen.
Professor Karl Heinz Schäfer von der Technischen Hochschule Köln referierte zu den Anforderungen und Rahmenbedingungen, die bei der Planung von innerstädtischen Rad- und Fußverkehrsanlagen zu beachten sind. Er plädierte für die Einbindung der Vorrangrouten des Fuß- und Radverkehrs in hierarchisch differenzierte Netzkonzepte, bei der insbesondere auf eine gute Gestaltung sogenannter „intermodaler Knoten“, welche sich aus der Überlagerung der Netze der einzelnen Verkehrsträger ergeben, geachtet werden solle. Zudem hob er die Bedürfnisse des Fußverkehrs vor, die ebenso wie der übergeordnete Einbezug der anliegenden städtebaulichen Nutzungen stärker Berücksichtigung finden solle.
Den Expert:inneninput rundete Landschaftsarchitekt Thomas Wünderich vom Büro MOLA Landschaftsarchitektur ab. In seinem Vortrag präsentierte er die wichtigsten Gestaltungselemente zur Aufwertung und Strukturierung des Stadtbildes und warb für mehr Diversität bei der Stadtbegrünung. „Bäume sind die prägendsten Elemente bei der Straßenraumgestaltung“, so Wünderich. Er ermutigte die Anwesenden, kreative Lösungen zu finden und durch diese den öffentlichen Raum neu zu gestalten.
Einer Devise hatten sich die drei Vorträge allesamt verschrieben: Eine entscheidende Verbesserung für den Fuß- und Radverkehr kann nur erreicht werden, wenn für ambitionierte Ziele innovative Lösungsansätze gefunden werden, die die aktive Mobilität in den Fokus rücken und über den Tellerrand hinausschauen.

Groß denken, um den Fuß- und Radverkehr voran zu bringen

Der zweite Tag war der Bearbeitung der Planungsfälle gewidmet. In Gruppen wurde vor und nach der Mittagspause an den sieben unterschiedlichen Beispielen gearbeitet und die Vorschläge anschließend mit allen diskutiert. Dabei war planerische Expertise zur Aufwertung verschiedenster Situationen für den Fuß- und Radverkehr bei den Mitgliedern vor Ort gefragt. Teilweise wurden Lösungsvarianten entwickelt, bei denen aufgrund eingeschränkter Fahrbahn- sowie Fußwegbreiten über eine Neuaufteilung der verfügbaren Fahrbahnspuren bis hin zur Beschränkung von Streckenabschnitten auf den Umweltverbund diskutiert wurden.
Andere Denkansätze waren beispielsweise auch für den Planungsfall aus Konstanz gefragt, bei dem es darum ging, dem Fußverkehr gute Querungsmöglichkeiten an stark befahrenen Hauptverkehrsachsen des Radverkehrs zu schaffen. Die weiteren Planungsfälle waren die Umwandlung einer Hauptradroute in eine Fahrradstraße in Mannheim, die Radwegeführung im Schwarzwälder Höllental, die Radverkehrsführung eines Kreisverkehrs in Leinfelden-Echterdingen, die Gestaltung eines Tunnels in Filderstadt, die Umgestaltung eines signalisierten Knotenpunktes in Waiblingen und die Radverkehrsführung in einer Straße mit unterschiedlichen Nutzungsansprüchen in Bietigheim-Bissingen.
Eifrig diskutierten Kommunalvertreter:innen und Expert:innen und griffen dabei auch selbst zum Stift, um mögliche Lösungen zu skizzieren und durch die Visualisierung auch groß und über den gewöhnlich machbaren Rahmen hinaus zu denken. „Wenn viele mitdenken, kommen schnell viele neue Ideen raus. Das sollte man in der Verkehrsplanung viel häufiger so machen“, resümierte Teilnehmer Jürgen Lenz, Radverkehrsbeauftragter aus Filderstadt. Auch Teilnehmer Frank Röpke aus Waiblingen äußerte sich positiv zu den Ergebnissen der Planungswerkstatt: „Wir haben gemeinsam viele gute Planungsansätze entwickelt, die neue Denkrichtungen eröffnen. Damit können wir in Waiblingen weiterarbeiten.“ Wenngleich es für die einzelnen Planungsfälle nun darum geht, eine detailliertere Planung anzugehen, hat die Planungswerkstatt bereits aufgezeigt, dass auch in diesen kniffligen Fällen Möglichkeiten gibt, die Situation für den Fuß- und Radverkehr zu verbessern.
Markus Belz von der AGFK-Geschäftsstelle zeigte sich ebenfalls zufrieden: „Das Konzept dieses innovativen Veranstaltungsformats ist voll und ganz aufgegangen. Ich wünsche mir, dass die dritte AGFK-Planungswerkstatt in einer Kommune stattfindet, die die hier erarbeiteten Planungsideen vor Ort umgesetzt hat.“

Weitere Informationen

Weitere Informationen finden Sie im Weiterbildungsbereich der AGFK-BW Webseite.
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Die AGFK-BW e. V.

Die Arbeitsgemeinschaft Fahrrad- und Fußgängerfreundlicher Kommunen in Baden-Württemberg e. V. (AGFK-BW) ist ein Netzwerk von mehr als 90 Städten, Landkreisen und Gemeinden. Unterstützt und gefördert vom Land, wollen die Kommunen die aktive Mobilität fördern. Radfahren und Zufußgehen sollen als selbstverständliche, umweltfreundliche und günstige Arten der Fortbewegung gefördert werden.