Kürzere Wege, weniger Stau: AGFK diskutiert Mobilität und Planung für lebenswerte Kommunen

Am 19. November traf sich die AGFK-BW zur Mitgliederversammlung und zum Verkehrspolitischen Dialog unter dem Thema „Von Paris nach Pforzheim - Von der 15-Minuten Stadt zur 7-Minuten Kommune“.

Bei der digitalen öffentlichen Veranstaltung begrüßte Günter Riemer, frisch bestätigter Vorstandsvorsitzender der AGFK-BW und Erster Bürgermeister der Stadt Kirchheim unter Teck, das Zusammentreffen der Staatssekretärinnen für Verkehr sowie Landesentwicklung und Wohnen zur Diskussion der 15-Minuten-Stadt. Hinter dem Leitbild stehen langfristige stadtplanerische Strategien mit dem Ziel lebendiger Städte. Der Verkehrspolitische Dialog zeigte, dass die 5-Minuten-Stadt in Karlsruhe bereits ankommt und welche Hürden besonders im ländlichen Bereich noch bestehen. Fazit des Dialogs: Raumplanung und Verkehr müssen für die Reduktion von Verkehren und für lebenswerte Kommunen eng zusammenarbeiten. Als weitere wichtige Zutaten wurden Investition in bestehende Quartiere und die Aktivierung und Beteiligung von Bürger:innen herausgearbeitet. Um möglichst alle Bedarfe des täglichen Lebens in 15 Minuten Fuß- und Radweg abzudecken, bleibt insbesondere in ländlichen Regionen noch viel zu tun!

Städte und Kommunen der kurzen Wege

Das Konzept der 15-Minuten-Stadt ist bekannt aus Paris und anderen großen europäischen Metropolen. Es basiert auf der schnellen Erreichbarkeit aller Alltagsbedarfe der Bürger:innen. Dazu braucht es eine kommunale Stadtentwicklung zur Stärkung der lokalen Zentren. Anstelle des Baus von Wohngebieten und Gewerbegebieten auf der grünen Wiese, was immer längere Wege und somit mehr Autoverkehr bedeutet, ist die Revitalisierung von Bestandsgebäuden und -quartieren gefragt – eine Chance für die Kommune der kurzen Wege. Dazu kommen Instrumente wie ein aktiv betreutes Leerstandskataster oder Sanierungsförderungen aber auch die Verlagerung von Straßenbahnen in den Untergrund, wie am Marktplatz in Karlsruhe, zum Einsatz. Die Folge ist eine höhere Attraktivität der Standorte aufgrund von belebteren Quartieren und mehr Angeboten für den täglichen Bedarf, was in der Folge den Verkehr reduziert. Hier zeigt sich, wie wichtig es ist, dass Bau- und Verkehrsministerien kooperieren – mit dem Verkehrspolitischen Dialog ist es der AGFK-BW gelungen, diesen Dialog in die Wege zu leiten.

Best-Practice-Beispiele

Prof. Dr. Anke Karmann-Woessner, Leiterin des Stadtplanungsamtes Karlsruhe, berichtet von 15 Jahren Entwicklungsarbeit und dem Karlsruher 5-Minuten-Leitbild: „Mobilität gehört im Stadtplanungsamt zur unserer DNA.“ Der Modal Split wurde in Karlsruhe seit 2012 erfolgreich in Richtung Umweltverbund (Fuß, Rad und öffentlicher Personenverkehr) verlagert und der motorisierte Individualverkehr bei den zurückgelegten Wegen von 44% auf 33% zurückgedrängt.

Die Gemeindeallianz „Hofheimer Land“ im bayerischen Unterfranken, anschaulich präsentiert durch Kerstin Brückner vom Allianzmanagement und Leiterin des Projektes „Hier&Wir“ hingegen ist ein wegweisender Zusammenschluss von sieben Gemeinden im ländlichen Raum. Mit der gezielten Förderung von Gebäudesanierungen, von Dorfläden und Gemeinschaftshäusern arbeiten die 57 Gemeindeteile an der eigenen Attraktivität und bauen ein dichtes Netz an Versorgungsmöglichkeiten auf. Kerstin Brückner brachte überraschende Einblicke, zum Beispiel den Gedankenanstoß „wenn die Anfahrt Teil der Arbeitszeit wäre, werden 40km Anfahrt mit dem S-Pedelec auf einmal denkbar“. Für Günter Riemer ein willkommener Anlass, auf die Bedeutung von Radschnellverbindungen für die Mobilitätswende im ländlichen Raum hinzuweisen.

Zusammenarbeit für lebenswerte Kommunen

Bei der Podiumsdiskussion wurden die gezeigten Beispiele aus Karlsruhe und dem Hofheimer Land zusammen mit der Staatssekretärin im Ministerium für Verkehr BW, Landtagsabgeordnete Elke Zimmer, der Staatssekretärin im Ministerium für Landesentwicklung und Wohnen BW, Landtagsabgeordnete Andrea Lindlohr, dem Vorstandsvorsitzenden der AGFK-BW Günter Riemer und Matthias Knobloch vom Referat Mobilität des Städtetags BW vertieft.

Der Ansatz des Verkehrspolitschen Dialogs, die Zukunft lebenswerter Kommunen ressortübergreifend zwischen Verkehr und Landesentwicklung und Wohnen anzugehen, fand breite Zustimmung. Prof. Dr. Anke Karmann-Woessner betonte darüber hinaus, dass in Bezug auf Verkehrsvermeidung der Gewerbebereich im nächsten Schritt stärker einbezogen werden müsste. Außerdem wurde von Staatsekretärin Andrea Lindlohr darauf hingewiesen, dass Fuß- und Radverkehr nicht nur eine kostengünstige Fortbewegung ermöglichen, sondern dass die leichte Erreichbarkeit aller täglichen Bedarfe insgesamt viele soziale Aspekte berührt.

Der Einladung zur digitalen Fachkonferenz „Verkehrspolitischer Dialog“ waren 150 Fachleute gefolgt, darunter Vertreter:innen aller Landtagsfraktionen, Bürgermeister:innen und Fachleute aus den Kommunen, Stadtplanungs- und Architekturexpert:innen sowie Vertreter:innen aus Wirtschaft und Nichtregierungsorganisationen. 

AGFK Vorstand für weitere drei Jahre gewählt

Die im Vorfeld des „Verkehrspolitischen Dialogs“ abgehaltene Vorstandswahl der mittlerweile 95 Mitgliedskommunen umfassenden Arbeitsgemeinschaft Fahrrad- und Fußgängerfreundlicher Kommunen musste zum ersten Mal digital stattfinden. Der seit 2018 erfolgreich arbeitende Vorstand wurde auch 2021 für weitere drei Jahre einstimmig wiedergewählt. Günter Riemer, Erster Bürgermeister der Stadt Kirchheim unter Teck, bleibt Vorsitzender und als Stellvertreterin wurde die Bürgermeisterin der Stadt Fellbach, Beatrice Soltys, wiedergewählt. Auch die Lörracher Bürgermeisterin Monika Neuhöfer-Avdić und die Ersten Bürgermeister von Heidelberg und Offenburg, Jürgen Odszuck und Oliver Martini, ergänzen weiterhin die Vereinsführung.

Das Programm zum Verkehrspolitischen Dialog 2021, die Präsentationen. der Referent:innen und ein Grafic Recording von Pedro Stoichita stehen hier zur Verfügung:

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