4. Digital-Dialog: AGFK-Mitgliedskommunen planen die Einrichtung von Fahrradzonen

Seit der Novellierung der Straßenverkehrsordnung (StVO) vom April 2020 können Städte und Gemeinden Fahrradzonen ausweisen – und damit wesentliche Vorteile einer Fahrradstraße auf ein ganzes Wohngebiet ausweiten. Doch auch eineinhalb Jahre nach der Aufnahme in die StVO haben bislang erst wenige Kommunen praktische Erfahrungen mit Fahrradzonen gemacht. Grund genug für die Mitgliedskommunen der AGFK-BW, sich beim 4. Digital-Dialog ganz den Fahrradzonen zu widmen und sich die Erfahrung von Fachleuten einzuholen. Die eingeladenen Expert:innen hatten dabei insbesondere eine Kernbotschaft mitgebracht.

In Fahrradzonen haben Radfahrende Priorität: Sie dürfen nebeneinander fahren und bestimmen die Geschwindigkeit. Autos dürfen maximal 30 km/h fahren und nur überholen, wenn dabei der gesetzlich vorgeschriebene Überholabstand von 1,5 Metern eingehalten werden kann. Wobei Kfz-Verkehr gemäß StVO ohnehin die Ausnahme darstellen soll. „Wo können wir Fahrradzonen vor diesem Hintergrund überhaupt planen?“, lautete daher auch eine zentrale Frage der Teilnehmenden.

Die Einschätzung der Expert:innen dazu war eindeutig. „Fahrradzonen kommen für jedes Wohngebiet in Betracht“, machte Thiemo Graf in seinem Impulsvortrag deutlich. Der Autor des Fachbuches „Fahrradstraßen und Fahrradzonen“ schränkte jedoch ein: Die Maßnahmen der Stadt oder Gemeinde müssten spürbar über einen Austausch des Verkehrsschildes hinausgehen. „Die Fahrradzone muss insbesondere klar erkennbar sein und der Kfz-Verkehr reduziert werden. Eine Fahrradzone ist der Einstieg in den Umbau des Quartiers, in dem mehr Wege zu Fuß oder mit dem Fahrrad zurückgelegt werden.“ Insoweit biete eine Fahrradzone auch eine Chance für Fußgänger:innen und zur Schaffung lebenswerter Wohngebiete.

Genau diesen Ansatz verfolgt die Hansestadt Bremen, die man als „Erfinderin“ der Fahrradzone bezeichnen kann; denn noch vor Verankerung in der StVO wurden dort mehrere zusammenhängende Straßen als Fahrradstraßen ausgewiesen und so indirekt eine Zone für den Radverkehr geschaffen. Wenn Anne Mechels vom Team Nahmobilität der Stadt Bremen heute über Fahrradzonen spricht, geht es dabei gleich um Fahrradmodellquartiere. Sie berichtete in einem spannenden Vortrag, dass die Ausweisung eines Wohngebietes als Fahrradzone dabei in ein Bündel aus Maßnahmen eingebunden ist, das im Wesentlichen ein Ziel hat: Mobilitätsverhalten zu verändern. Fahrradmodellquartier in Bremen heißt deshalb nicht nur, eine Fahrradzone auszuweisen, neue Fahrradabstellmöglichkeiten zu schaffen und Kopfsteinpflaster durch Asphaltstreifen zu ersetzen. Die Stadt setzt beispielsweise auch auf Paketverteilstationen, die Ordnung des ruhenden Kfz-Verkehrs, eine gute Verknüpfung mit dem ÖPNV, die Anbindung des Gebietes an eine Fahrradpremiumroute, Leihräder oder ein Fahrrad-Repair-Café.

Einig waren sich die Teilnehmenden des Digital-Dialogs, dass die Planung einer Fahrradzone mit einer aktiven Kommunikation und Einbindung der Öffentlichkeit einhergehen sollte. Jasdeep Singh, Teamleiter Verkehrsplanung im Stadtplanungsamt der Stadt Esslingen am Neckar, stellte anhand der bevorstehenden Einrichtung einer Fahrradzone dar, dass die Stadt dabei auch ungewöhnliche Wege geht. Um die Öffentlichkeit zu erreichen, setze man nicht nur auf klassische Kommunikationsmittel wie Flyer oder Informationsveranstaltungen. Jasdeep Singh empfahl seinen Kolleg:innen auch kulturelle Veranstaltungen oder ähnliche Anknüpfungspunkte zu nutzen, um die Zielgruppe zu erreichen. Eine frühzeitige und umfassende Einbindung der verschiedenen Akteure zahle sich aus.

Der Austausch der 35 AGFK-Mitgliedskommunen beim Digital-Dialog machte deutlich, dass die Städte und Gemeinden das Instrument der Fahrradzone verstärkt nutzen wollen. So laufen in mehreren Kommunen bereits Vorbereitungen zur Einrichtung einer Fahrradzone. Die AGFK-BW wird diesen Prozess auch weiterhin aktiv begleiten. Die Mitgliedskommunen sind aufgerufen, ihre Fahrradzonen-Projekte dazu unter agentur@agfk-bw.de zu melden.

Die Vorträge der Referierenden sind für Mitglieder unter diesem Link im internen Bereich abrufbar.